Technische Überwachung
Moderne Anlagensicherheit verbindet Innovation und Regulierung
Von Dieter Roas
Der dynamische technologische Wandel fordert Arbeitgeber, Betreiber, Behörden und zugelassene Überwachungsstellen mehr denn je: Um das hohe Sicherheitsniveau zu halten, gilt es, die Chancen digitaler, vernetzter und KI-basierter Systeme zu nutzen und zugleich deren Risiken im Blick zu behalten. Dafür bietet ein neuer Rechtsrahmen die Möglichkeiten und muss jetzt praxistauglich konkretisiert werden. Entscheidend bleibt die unabhängige Drittprüfung von überwachungsbedürftigen Anlagen, der zugehörigen Daten, IT-Systeme und wo nötig der dahinterliegenden Algorithmen.
Nach dem neuen Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) sollen in den kommenden Monaten die Referentenentwürfe für die Überwachungsbedürftige nlagenverordnung (ÜAnlV) und zur Arbeitsmittelbenutzungsverordnung (AMBV) erscheinen. Weil einige überwachungsbedürftige Anlagen zugleich als Arbeitsmittel gelten, sind fallweise beide Verordnungen anzuwenden. Beispiel dafür sind Aufzüge für den Materialtransport, Druckbehälter zum Speichern von Gasen oder Dampferzeuger für Produktionsprozesse.
Die beiden Verordnungen müssen so konzipiert werden, dass sie sich ergänzen, aber auch klar oneinander abgegrenzt sind. Das soll doppelte Arbeiten bei der Einhaltung von Vorschriften vermeiden, den bürokratischen Aufwand reduzieren und ein effizienteres und moderneres Sicherheitsmanagement fördern. Während die ÜAnlV das ÜAnlG für die Umsetzung in der Praxis konkretisiert, wird die geplante AMBV die Arbeitsmittel aus der heutigen Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) erfassen, die keine überwachungsbedürftigen Anlagen sind.
Beide Verordnungen ersetzen dann die in die Jahre gekommene BetrSichV. Ziel dieser Änderungen muss sein: noch mehr Praxisnähe sowie eine verbesserte esbarkeit und Verständlichkeit für Arbeitgeber und Betreiber. Die Prüfunternehmen müssen sowohl die spezifischen Anforderungen der ÜAnlV kennen als auch die umfassenden Anforderungen der AMBV. Nur so können sie eine überwachungsbedürftige Anlage richtig prüfen und eine valide Aussage für die sichere Verwendung bis zur nächsten Prüfung leisten.
Gesetzlicher Rahmen und Hintergrund der Aktualisierung
Nötig geworden ist das neue ÜAnlG auch, weil sich der Rechtsrahmen zu überwachungsbedürftigen Anlagen seit 1953 kaum verändert hat – die Anlagentechnik dagegen in hohem Maße. Überwachungsbedürftige Anlagen waren zuvor im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) geregelt. Die Auslagerung in ein eigenständiges Gesetz trug sowohl ihrer besonderen wirtschaftlichen Bedeutung Rechnung als auch dem besonderen Gefährdungspotenzial.
Der Gesetzgeber hat zum einen veraltete Formulierungen und strukturelle Mängel aktualisiert und korrigiert. Zum anderen hat er den zugehörigen Text übersichtlicher und zielgerichteter gestaltet. Diese Verbesserungen dürften insbesondere für Betreiber von überwachungsbedürftigen Anlagen zu mehr Klarheit beitragen. Auch wurden die Voraussetzungen für die Anerkennung von Zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) auf Gesetzesebene transparenter gestaltet. Ein weiteres Ziel ist die „Entbürokratisierung“. Sie ist sinnvoll, birgt aber überall dort Folgerisiken, wo zusätzliche Kontrollinstanzen ein Plus an Sicherheit bedeuten.
Entbürokratisierung und Wegfall der Erlaubnispflicht
Ein Beispiel für das Reduzieren von Kontrollinstanzen ist der geplante Wegfall der Erlaubnispflicht bei bestimmten überwachungsbedürftigen Anlagen. Diese dürfen künftig ohne vorherige Genehmigung durch Behörden errichtet und betrieben werden. Dabei müssen Unternehmen selbst darauf achten, dass ihre Anlagen den geltenden Sicherheitsstandards – und vor allem den erforderlichen Aufstellbedingungen – entsprechen, da die behördliche Vorabkontrolle entfällt.
Die Regelung zielt darauf ab, den administrativen Aufwand für Unternehmen zu verringern. Zugleich sollen die Behörden entlastet werden, die personell nicht immer in der Lage sind, alle Genehmigungsanträge zeitnah zu bearbeiten.
Ohne die präventive Überprüfung durch eine Behörde können allerdings potenzielle Sicherheitsrisiken übersehen werden. Der Betrieb einer Anlage kann – insbesondere aufgrund der Umgebungsbedingungen – gefährlich werden. Wird erst nach der Errichtung festgestellt, dass die Anlage zwar sicherheitstechnisch den Anforderungen entspricht, aber am falschen Ort (z. B. mit zu geringen Abständen in einem Wohngebiet) steht, wäre der wirtschaftliche Schaden enorm. Wo die „Verhältnismäßigkeit“ – wirtschaftlicher Schaden vs. sicherer Betrieb (Aufstellungsort) – infrage steht, muss der sichere Betrieb immer Vorrang haben.
Entscheidend ist, dass die Anlagenerrichter und -betreiber ihren Sorgfaltspflichten zuverlässig nachkommen und bereits vor der Errichtung nochmals geprüft wird, ob die Aufstellbedingungen eingehalten wurden – auch wenn die Behörde dann keine Genehmigung mehr erteilen muss. Hier bestehen noch zahlreiche Herausforderungen, um den Wegfall der Erlaubnispflicht sorgfältig zu gestalten. Das muss auf Fach- und Beratungsgremienebene weiter diskutiert und ausgestaltet werden.
Chancen und Risiken durch neue Technologien
Ein weiterer Hebel zur Steigerung der Effizienz bei der Anlagensicherheit sind neue Technologien. Kontinuierliche Monitoringsysteme ermöglichen schon heute, Anlagen in Echtzeit zu kontrollieren und auf Basis der erfassten Daten präventiv zu warten und instand zu setzen, bevor es zu Ausfällen und Stillständen kommt. Das erhöht die Produktivität und die Wirtschaftlichkeit des Anlagenbetriebs.
Der zunehmende Einsatz von kontinuierlichem Monitoring erleichtert Betreibern auch, ihrer Verpflichtung für einen sicheren Anlagenbetrieb nachzukommen. Nun gilt es, klare Regelungen zu schaffen, um eine geeignete Berücksichtigung dieser Technologie bei ZÜS-Prüfungen zu ermöglichen. Alle Prüforganisationen leisten hohe Aufwände bei der Ausund Weiterbildung, um beim Fachwissen auf Augenhöhe mit dem Betreiber oder Hersteller zu sein und die Technologien und ihre Auswirkungen auf die Sicherheit bewerten zu können.
Ob eine fallweise geforderte risikobasierte Inspektion (RBI) geeignet ist, die heute bewährten Prüfintervalle und Prüftiefen beliebig zu verändern, muss sehr genau betrachtet werden, um unser hohes Sicherheitsniveau in Deutschland nicht infrage zu stellen. Die Anlagensicherheit darf nicht zu einer Black Box oder auf ein intransparentes Unterfangen unterschiedlicher Interessen reduziert werden.
KI verändert Anlagenbetrieb und -prüfung
KI ermöglicht zunehmend, Anlagen näher an den Auslegungsgrenzen und damit wirtschaftlicher zu betreiben. Und sie hat auch für die Anlagensicherheit das Potenzial, Prüfprozesse zu optimieren und die umfangreichen Anlagendaten schneller und in der Tiefe zu analysieren. Das kann dazu beitragen, Ausfälle zu minimieren, die Sicherheit der Anlagen zu erhöhen und die Genauigkeit und Zuverlässigkeit von Gefährdungsbeurteilungen zu verbessern bzw. zielgerichteter zu bewerten. Wichtig dabei ist, KI nicht isoliert zu betrachten. Sie ist Teil eines umfassenden Sicherheitssystems, das menschliche Überwachung und automatisierte Prozesse umfasst. Als Werkzeug müssen KI und ihr Einsatz selbst ständig überprüft und optimiert werden – aber auch reguliert. Hier hat die EU mit der risikobasierten KI-Verordnung einen sinnvollen Ansatz gefunden: Je höher das Gefährdungspotenzial, desto umfangreicher müssen die regulatorischen Anforderungen sein.
Eine mögliche Integration von KI in sicherheitsrelevante Systeme wirft nicht nur regulatorische und rechtliche, sondern auch technische und ethische Fragen auf. Die Verantwortung für und die Transparenz von KI-Entscheidungen sind hier besonders relevant. Sachverständige müssen jederzeit Zugriff auf die Daten und im Bedarfsfall auf die zugehörigen Algorithmen haben. Wo KI-Systeme auf internationalen Servern und internationalem Recht aufbauen, dürfte das den nach nationalem Recht agierenden ZÜS und Behörden die Arbeit erschweren. Hier gilt es, vorab die Befugnisse, die Sanktionsmöglichkeiten sowie etwaige Abhängigkeiten zu klären.
Unabhängige Prüfung als Basis von Innovationen
Es gibt immer wieder die Annahme, dass eine Regulierung die Integration von Innovationen bremst. Es ist aber vielmehr so, dass Regulierung eine Grundbedingung für deren Integration und nicht zuletzt für das Vertrauen in innovative Technologien ist. Denn es gibt keine nachhaltigen Märkte ohne Regeln. Und Innovationen werden nur in geregelten Systemen sicher und wirtschaftlich nutzbar.
Und hier ist die unabhängige Prüfung ein zentraler Stützpfeiler, um Innovationen in überwachungsbedürftige Anlagen zu integrieren. Denn nur sie ermöglicht, dass die Gesamtsysteme sicher bleiben, die Betreiber ihrer Verantwortung gerecht werden können und Vertrauen gegenüber der Bevölkerung aufgebaut wird. Insbesondere in sicherheitskritischen Bereichen ist es unerlässlich, dass Entscheidungen, die von KI-Systemen getroffen werden, von qualifizierten Fachleuten nachvollzogen und gegebenenfalls korrigiert werden können. Die Rolle der unabhängigen Prüfung entwickelt sich somit weiter und umfasst künftig immer mehr die Prüfung und die Bewertung der datengesteuerten Prozesse und der Algorithmen, die in den Anlagen eingesetzt werden.
Um mit hochdynamischen Entwicklungen Schritt zu halten, gilt es, die Prüfstandards und -regeln ständig zu aktualisieren und schneller anzupassen. Sachverständige müssen durch Schulungen gewährleisten, dass sie sowohl mit bisherigen Verfahren als auch mit innovativen Systemen arbeiten können. Darüber hinaus muss eine kontinuierliche Weiterbildung auf hohem Niveau sichergestellt sein. So trägt die unabhängige Prüfung auch künftig effektiv dazu bei, Gefährdungen zu minimieren und die Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Verfügbarkeit überwachungsbedürftiger Anlagen weiterhin sicherzustellen. Unser hoher Sicherheitsstandard, den wir heute bei überwachungsbedürftigen Anlagen haben, basiert nicht zuletzt auf dem Zusammenwirken von Betreibern, Wartungs- und Instandhaltungsunternehmen, Behörden und der unabhängigen Drittprüfung.
Und es ist eine gemeinsame Verantwortung, das hohe Sicherheitsniveau weiter aufrechtzuerhalten. Dafür gilt es, technische Innovationen proaktiv, aber verantwortungsbewusst umzusetzen und zugleich wirksam und dynamisch zu regulieren.