Technische Überwachung

Sicherheitsnetz adé? Welche Risiken der Wegfall der Erlaubnispflicht birgt

Bürokratie gilt als Wachstumshemmnis. Dem will der Gesetzgeber mit der geplanten Verordnung für überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlV) entgegenwirken. So sollen Anlagenbetreiber durch den geplanten Wegfall der Erlaubnispflicht Aufwände für Genehmigungen und Prüfungen einsparen. Die Prüforganisationen begleiten diesen Prozess, um das hohe Sicherheitsniveau zu erhalten. Betreiber können jetzt schon Prüfungen vereinfachen und Dokumentationen reduzieren.

Mit der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) hat der Gesetzgeber bereits bürokratische Hürden abgebaut und beispielsweise die Anforderungen an die Dokumentation für Anlagenbetreiber reduziert. Mit den geplanten Referentenentwürfen für die Überwachungsbedürftige Anlagenverordnung (ÜAnlV) und zur Arbeitsmittelbenutzungsverordnung (AMBV) besteht ein weiteres Mal die Möglichkeit, Doppelregelungen zu vermeiden und die Umsetzung des Gesetzes zu Überwachungsbedürftigen Anlagen (ÜAnlG) unbürokratisch und praxistauglich auszugestalten. Dabei gilt es auch, die Verhältnismäßigkeit im Blick zu behalten.

Die geplante Verordnung zu Überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) wird voraussichtlich die Erlaubnispflicht für für bestimmte überwachungsbedürftige Anlagen abschaffen. Betreiber solcher Anlagen benötigen bisher eine behördliche „Genehmigung“, bevor sie diese errichten dürfen. Erteilt wird die Erlaubnis nach erfolgter Prüfung der Planungsunterlagen und der Aufstellungsbedingungen durch eine Zugelassene Überwachungsstelle (ZÜS). Betroffene kritisierten diesen bislang verpflichtenden Schritt als unnötige Verzögerung.

Der Entfall des Erlaubnisverfahrens bedeutet für Betreiber aber nicht nur, dass ein genehmigungsrechtlicher Schritt und die damit verbundene Dokumentation entfallen und damit die anschließende Bearbeitungszeit von bis zu drei Monaten eingespart wird. Auch die Vorprüfung durch eine ZÜS würde nicht mehr stattfinden. „Sie ist aber schon eine erste Sicherheitsprüfung. Ein wichtiger Aspekt sind dabei die individuell zu bewertenden Anforderungen an die Aufstell- und Umgebungsbedingungen“, sagt Thomas Prager, Sachverständiger und Leiter der ZÜS für Druckanlagen beim TÜV Rheinland Industrie Service GmbH.

Prüforganisationen sorgen auch für Rechtssicherheit

Im Extremfall stellt eine ZÜS fest, dass die Anlage an ihrem Standort gar nicht hätte errichtet werden dürfen. Ein Wegfall der Erlaubnispflicht ginge daher mit einem erhöhten Risiko einher, dass eine Anlage unter Umständen sogar rückgebaut werden muss. „Die Erlaubnis durch die Behörde bedeutet für den Betreiber auch, dass sich aus nachgelagerten Verfahren wie der Prüfung vor Inbetriebnahme keine grundsätzlichen Probleme aufgrund grober Fehlplanungen ergeben. Wenn künftig die Prüfung vor Inbetriebnahme die erste Prüfung durch Sachverständige ist, verlieren die Betreiber und Investoren damit auch eine gewisse Rechtssicherheit“, stellt Prager fest. Im Gegensatz dazu hilft eine Prüfung einer Druckanlage im Planungsstadium, frühzeitig Fehler zu vermeiden, die später nur mit großem Aufwand behoben werden können. Hier wird auch das Konzept des Anlagenbetriebs bereits im Vorfeld geprüft. Wechselwirkungen mit benachbarten Anlagen, die möglicherweise nicht in der Verantwortung des antragstellenden Betreibers liegen, werden einbezogen. Das bedeutet mehr Sicherheit für den Menschen, die Umwelt und für Sachwerte – aber auch für Investitionen und geplante Produktionsvolumina.

Thomas Prager fordert daher, „den Prozess der Erlaubnis nicht ersatzlos zu streichen. Ein sinnvoller Ersatz wäre, eine rechtliche Grundlage für eine alternative unabhängige und planungsbegleitende Vorprüfung durch die ZÜS zu schaffen.“ Vorprüfungen könnten so umgestaltet werden, dass sie bereits in der Planungsphase anhand von Teilprüfungen je nach Prozessschritt vorgenommen würden. Eine solche begleitende Prüfung wäre auch zeiteffizient. Das ist besonders sinnvoll bei Anlagen, bei denen die Aufstellbedingungen eine besondere Rolle spielen. Beispiele dafür sind Tankstellen und Gasfüllanlagen im öffentlichen Raum, aber auch Druckanlagen mit erhöhtem Gefährdungspotenzial wie Dampfkesselanlagen. Das setzt eine gute Abstimmung und das gleiche Grundverständnis für den Vorprüf-
prozess von Betreiber und ZÜS voraus.

Aufwände eigenverantwortlich reduzieren

Der ersatzlose Wegfall der Erlaubnispflicht wäre deshalb kein sinnvoller Schritt, um bürokratische Hemmnisse abzubauen, weil er mehr Folgerisiken als Nutzen für die Betreiber birgt. Bis die neue Verordnung – voraussichtlich 2025 – kommt, haben Betreiber jedoch auch nach den bestehenden Vorschriften zahlreiche Möglichkeiten, Erlaubnisverfahren und Prüfungen gegenüber den Standardvorgaben einfacher und effizienter zu gestalten – auch bei der Dokumentation.

Der von Betreiberseite teils kritisierte hohe Dokumentationsaufwand ergibt sich aus verschiedenen Rechtsvorschriften und dem Prinzip der Eigenverantwortung, das in der BetrSichV verankert ist. Danach müssen Betreiber selbst eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Sie müssen also in jedem Einzelfall mögliche Gefährdungen ermitteln, die angemessenen Schutzmaßnahmen festlegen und alles dokumentieren. Das bedeutet auch Freiheiten. Maßgeschneiderte Schutzmaßnahmen führen nicht nur zu mehr Sicherheit, sondern überdies zu weniger Betriebsunterbrechungen.


Um diese Maßnahmen zu entwickeln, sind ausreichend qualifizierte Fachkräfte nötig. Hier gibt Jörg Schöpe vom TÜV Thüringen zu bedenken, „dass die Vielzahl der deutschen Unternehmen klein- und mittelständisch geprägt ist. Sie haben oft kein eigenständiges Engineering und benötigen Unterstützung durch klare und sicherheitstechnisch sinnvolle rechtliche Regelungen. Mit klaren Anforderungen für einen Anlagentyp könnte eine künftige ÜAnlV solche Unternehmen entlasten. Ein reiner gefährdungsbezogener Ansatz hingegen mit einer Vielzahl an Dokumentationspflichten durch den Betreiber fordert diese heraus. Denn um durch eine sinnvoll strukturierte Gefährdungsbeurteilung Aufwände eigenverantwortlich reduzieren zu können, ist ein hohes Maß an Erfahrung und Fachwissen nötig.“ So kann beispielsweise eine mögliche Mehrfachdokumentation vermieden werden, wenn ähnliche und verwandte Tätigkeiten auch als solche betrachtet werden. Abhängig von der Gefährdung lassen sich allgemeingültige Schutzmaßnahmen festlegen, die dann unter Umständen für einzelne Arbeitsmittel nur noch spezifisch ergänzt werden. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAuA, liefert praktische Anleitungen, beispielweise nchzulesen im „Handbuch Gefährdungsbeurteilung“. 

Effizienter mit individuellen Prüfkonzepten

Auch mit sogenannten Prüfkonzepten ermöglicht die BetrSichV, wiederkehrende Prüfungen abweichend von den Standardabläufen zu gestalten. Dazu regelt Anhang 2, Abschnitt 4 Nr. 5.7 BetrSichV Ersatzprüfungen, die durchgeführt werden können für

>     die Besichtigung drucktragender Wandungen bei der wiederkehrenden inneren Prüfung und

>     die statische Flüssigkeitsdruckprüfung bei der wiederkehrenden Festigkeitsprüfung.

Ein Prüfkonzept nach BetrSichV ist ein systematischer Plan, der die Prüfungen an Anlagenteilen von überwachungsbedürftigen Druckanlagen für eine Prüfaussage zum sicheren Betrieb festlegt. Dies umfasst sowohl die Art der Prüfung (z. B. Sichtprüfungen, zerstörungsfreie Prüfungen zfP, Wasserdruckprüfungen) als auch die Festlegung der Prüffristen und die Qualifikation der Prüfenden. Es können dabei auch Maßnahmen festgelegt werden, bei deren Anwendung die Druckanlage oder Anlagenteile nicht außer Betrieb genommen werden müssen.

Betreiber können Prüfkonzepte selbst erstellen oder ein fertiges Konzept aus nichtstaatlichen technischen Regeln auswählen, das für ihre Anlage geeignet ist. Das Konzept muss lediglich durch eine ZÜS bestätigt werden – bedarf jedoch keiner  Behördenbeteiligung.

Ein ähnliches Beispiel ist die Einführung des Prüfprogramms für Rohrleitungen. Der Betreiber erstellt für seine Rohrleitungen ein Prüfprogramm, in dem er Prüfinhalt und -umfang selbst festlegt. Das Prüfprogramm muss von einer ZÜS erstmalig bestätigt und wiederkehrend auf Richtigkeit und Einhaltung überprüft werden. Die Prüfungen werden dann von einer zur Prüfung befähigten Person übernommen.

Mit der TRBS 1201 Doppelprüfungen vermeiden

Unter bestimmten Voraussetzungen bieten auch die Technische Regel TRBS 1201 und die damit verknüpfte Empfehlung EmpfBS 1201 Ansätze, um Doppelprüfungen von Arbeitsmitteln zu vermeiden und somit die Effizienz zu steigern. So fördert sie die Anerkennung der Ergebnisse von bereits vorgenommenen Prüfungen aus anderen Rechtsbereichen. Durch die Integration dieser Prüfungen in bestehende Management-Systeme und eine umfassende Dokumentation wird Transparenz geschaffen, die eine unnötige Wiederholung von Prüfungen vermeidet und die Sicherheitsstandards effektiv unterstützt. Das trägt maßgeblich dazu bei, den bürokratischen Aufwand zu minimieren, während die Sicherheit durch zielgerichtete und sinnvolle Prüfungen gewährleistet bleibt.

Fazit

Die ÜAnlV bietet die Chance, die Sicherheit von überwachungsbedürftigen Anlagen in der Praxis effizient auszugestalten. Dabei muss das Rechtsziel eines sicheren Betriebs gewährleistet bleiben. Dafür ist teilweise eine detaillierte Dokumentation unverzichtbar. Zugleich unterstützen Zugelassene Überwachungsstellen die Betreiber, gesetzliche Vorgaben so effektiv und effizient wie möglich umzusetzen. Das geschieht zum Beispiel mit individuellen Prüfkonzepten und der Übernahme von vorhandenen Prüfergebnissen. Ein Wegfall der Erlaubnispflicht sollte mit planungsbegleitenden Prüfungen kompensiert werden.